Zu ganz besonderen Anlässen, beispielsweise vor Weihnachten, oder wenn die Sonne sich wendet, tue ich etwas, was ich sonst genauso selten tue wie wohl die meisten anderen Frauen:

Ich miste meine Handtasche aus!

Meine Handtasche gleicht einem Schwarzen Loch, in dem alles verschwindet, um niemals wieder aufzutauchen. Es sei denn, ich stürze den Inhalt auf eine schmutzabweisende Unterlage und beginne, die Reliquien des letzten halben Jahres zu sortieren, so wie neulich.

Das war einerseits ein freudiges Ereignis, weil ich dabei lang vermisste Sachen wieder gefunden habe, zb die Schutzhülle meines IPods (die übrigens ein apartes Muster trägt, seit ich mal versehentlich mit dem Auto drübergefahren bin), oder mein verschollen geglaubter Kugelschreiber mit eingebautem Radio (Radio geht noch, Kugelschreibermine nicht). Dann ist auch noch ein Tankgutschein aufgetaucht, der allerdings zwei Tage vorher seine Gültigkeit verloren hat. Aber es war auch eine ziemlich unangenehme Angelegenheit. Es zählt für mich nicht zu den schönsten Tätigkeiten, Centstücke von Hustenbonbons zu kratzen, oder umgekehrt. Oder als ich mit den Fingern in den Winkeln der Handtasche nach verborgenen Schätzen geforscht und mir dabei die Spitze einer verkeilten Nagelfeile in die Finger gestochen habe.

Als ich dann der Meinung war, alle wertvollen Gegenstände aus dem Inneren der Handtasche herausgefischt zu haben, habe ich das gute Stück noch einmal umgedreht, so kamen mir auch noch die letzten Centstücke, in Begleitung von Tabakkrümeln (gut, daß ich jetzt nicht mehr rauche), Papierschnipseln und Feinstaub aller Art, entgegengerieselt.
Mit den Dingen, die ich dann vor mir liegen hatte, hätte man locker einen Schreibwarenladen, eine Apotheke, eine Drogerie, ein Nagelstudio und einen Werkzeugkoffer ausstatten können. Bestimmt wäre es einem Terroristen möglich gewesen, aus dem Inhalt meiner Handtasche eine Bombe zu basteln.
Danach habe ich die Handtasche ausgesaugt. Dabei ist irgend ein undefinierbarer Gegenstand laut scheppernd im Staubsauger verschwunden, und ich habe mir eine Weile überlegt, ob dieser Gegenstand so wertvoll gewesen sein könnte, daß es sich lohnen würde, den fast vollen Staubbeutel aufzuschneiden, habe mich dann aber dagegen entschieden.

Danach habe ich mich daran gemacht, den Berg zu sortieren, den ich ein halbes Jahr über der Schulter hängen hatte. Ich habe daraus kleine Häufchen gemacht, aufgeteilt nach folgenden Gesichtspunkten:
-was brauche ich unbedingt?
-was brauche ich?
-was will ich immer dabei haben?
-was ist vortielhaft, es immer dabei zu haben?
-was ist nur mit viel Phantasie vorteilhaft, es immer dabei zu haben.?
-was ist definitiv sinnlos es dabei zu haben?
-was ist eigentlich sinnlos, es überhaupt zu besitzen?
-was gehört auf den Müll?

Nach hinten sind die Häufchen übrigens immer größer geworden.
Aber im Endeffekt befindet sich jetzt fast genauso viel in der Handtasche wie zuvor. Ich bin eben ein Gewohnheitstier und kann mich von nichts trennen.