Hallo Beauties

Habe gerade ein tolles Buch entdeckt! Hier eine witzige Kurzgeschichte daraus...


Viskovitz, du bist ein Tier!
Fabelhafte Liebesgeschichten
von Alessandro Boffa

Viskovitz hat es verdammt schwer. Nicht nur wegen Jana, seiner Angetrauten, und Ljuba, seiner Angebeteten. Schlimmer: Viskovitz ist ein Tier! Und nicht nur eins, sondern mal ein Pinguin, ein Hai, eine Biene... und als solche leiden er und seine Gefährtinnen unter Beziehungsproblemen, Suchtverhalten und gesellschaftlichem Benehmen - wie die Menschen zu allen Zeiten.

Viskovitz ist mal auch eine Gottesanbeterin:


"Wie war Papa?" fragte ich meine Mutter.
"Knusprig, ein bißchen salzig, faserreich."
"Bevor du ihn gegessen hast, meine ich."
"Er war ein unsicherer Typ, ängstlich und neurotisch.
Wie ihr Bübchen eben so seid, Viskovitz."

Ich fühlte mich jenem Elternteil, den ich nie gesehen und der sich im Magen meiner Mutter aufgelöst hatte, während ich empfangen wurde, näher denn je. Wärme hatte er mir keine gegeben, aber Kalorien. Danke, Papa, dachte ich. Ich weiß, was es für die Männchen der Gottesanbeterin bedeutet, sich für die Familie zu opfern.

Ich verharrte einen Augenblick andächtig vor seinem Grab, also meiner Mutter, und betete ein Miserere.

Nach einer Weile hatte ich, da der Gedanke an den Tod mir unweigerlich eine Erektion bescherte, das Gefühl, es sei der Moment gekommen, Ljuba aufzusuchen. Ich hatte sie vor ungefähr einem Monat bei der Hochzeit meiner Schwester kennengelernt; gleichzeitig die Bestattung meines Schwagers, der ihrer grausamen Schönheit erlegen war. Seitdem hatten wir uns mehrmals gesehen.

Wie war das möglich gewesen? Gott hatte mich mit dern für uns Mantis-Männchen wertvollsten Talent gesegnet: dem vorzeitigen Samenerguß, notwendige Bedingung jeder längeren Liebesbeziehung. In der ersten Woche hatte ich lediglich ein paar Beine, die Fangbeine, verloren, in der zweiten den Prothorax mit den Flügelansätzen, in der dritten.........

"Tu es nicht, Visko, um Himmels willen!" riefen mir meine Freunde Zucotic, Petrovic und Lopez zu, die auf höheren Zweigen hockten. Für sie war die Frau der Teufel, Weiberhaß war ihre Mission. Sie waren pervers oder - seit der Metamorphose dysfunktional, hatten das Priestergelübde abgelegt und verbrachten den ganzen heiligen Tag damit, Blätter zu kauen und Psalmen aufzusagen. Sie waren sehr fromm.

Doch kein Gebet konnte mich aufhalten, nicht jetzt, wo ich das eiskalte Verlangen meiner Schönen spürte, das finstere Flattern ihrer Membranen, ihr düsteres Hohnlachen. Wie ein Rasender bewegte ich mich auf diese Laute zu, mit dem einzigen Bein, das mir geblieben war, stützte mich auf meine Erektion, mühte mich, mir die Herrlichkeit ihrer Gestalt vorzustellen, nun, da ich sie nicht mehr sehen konnte, weil ich keine Ozellen mehr hatte, nun, da ich sie nicht mehr riechen konnte, da ich keine Antennen mehr hatte, nun, da ich sie nicht mehr küssen konnte, da ich keine Palpen mehr hatte.

Ihretwegen hatte ich den Kopf verloren.