Hallo Ihr,
ich bin eine sehr alte Bekannte. Weil ich allerdings nicht sicher bin, ob hier noch doch jemand aus meiner Firma weiss, das ich hier schreibe und hier evtl. mitliest, schreibe ich heute mal ausnahmsweise anonym.
Man weiss ja nie

Ich bin in einen riesigen jobtechnischen Dilemma und kann Tag und Nacht an nichts anderes mehr denken.

Ich bin seit 3 Jahren in einer netten Firma als Buchhalterin tätig. Ich verdiene dort ganz gut und habe eine 35-Std. Woche, ein nettes, familiäres Arbeitsumfeld und sehr viele Freiheiten (Zeiteinteilung, Pausenregelungen, Privatsurfen im Internet, ...)
Morgens muss ich mich durch schlimme Staus quälen obwohl es nur 12 km bis zur Arbeit sind, aber die haben es in sich.
Bisher war ich dort bis auf ein paar Ausnahmen sehr glücklich. Allerdings habe ich dort null Aufstiegschancen und auch gehaltsmäßig nicht mehr viel Spielraum nach oben.

Nun hat ein Unternehmen, das mich schon immer wahnsinnig interessiert hat, vor einiger Zeit eine Stelleauschreibung auf die ich mich beworben habe. Und nach 2 Geprächen innerhalb einer Woche haben sie mir gestern die Zusage gegeben und auch direkt den Vertrag in die Hand.
Mein Profil passt dermaßen 1000% auf deren offene Stelle, das es schon fast unheimlich ist. Es ist eine sehr, sehr prestigeträchtige Modefirma mit steigenden Umsätzen in Deutschland. Die Stelle bietet noch einiges an Entwicklungspotenzial und ist inhaltlich sehr interessant. Die Büros sind superschön, gemütlich, das Arbeitsumfeld wunderschön, die Kollegen (so hat es den Anschein) sehr symphatisch. Eine Stelle, von der ich immer geträumt habe, wollte nämlich eigentlich irgendwann unbedingt in die Modebranche zurück, hat aber aus verschiedenen Gründen bisher nicht geklappt.
Ein riesen Vorteil zudem ist noch die schier unglaubliche Tatsache, das die Firma ca. 3 km Luftlinie entfernt von meinem Zuhause liegt. Ich könnte mir morgens die Turnschuhe anziehen und quer übers Feld dorthin laufen und wäre in 10 min. da.
Jeder würde jetzt raten, sofort zu wechseln und keine Sekunde zu zögern.

Und jetzt kommt mein Dilemma - der Verdienst. Trotz Versuche meinerseits mich beim Gehalt nicht unterbieten zu lassen, hat der GF dort mein jetziges Gehalt hoch unterboten. Er ist nicht bereit, mein jetziges Bruttogehalt zugrunde zu legen sondern bietet mir 400,- EUR brutto weniger als bei meiner jetzigen Stelle.
D.h. ich würde über 200,- EUR im Monat netto weniger verdienen. Für mich ist das eine Menge Kohle, auf die ich nicht leichtfertig verzichten kann und möchte. Er rechnete mir vor, das ich mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das ich dort bekommen würde (bekiomme ich bei meinem jetzigen Job nicht) und diversen Prämien und Klamotten umsonst unterm Strich im Jahr mehr verdienen würde als jetzt.
Was teilweise vielleicht auch stimmt aber auch frühestens nach einem Jahr zum Tragen kommt denn es braucht schon eine gewisse Firmenzugehörigkeitsdauer um in den Genuss dieser Leistungen zu kommen, die darüberhinaus ja auch widerruflich sind. Netto werde ich auf jeden Fall nicht mehr sondern weniger verdienen, auch nach einem Jahr.
Klar, ich hätte auch viel weniger Spritkosten durch die Fahrerei, die dann entfallen würde. Und ich hätte 3 Urlaubstage mehr im Jahr aber ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darauf einlassen soll.
Beim Durchlesen des Vertrages zuhause fiel mir dann auf, das der Vertrag zudem auch noch befristet ist auf ein Jahr Was bei beiden Gesprächen nicht einmal erwähnt wurde. Für mich persönlich ein absolutes No Go. Sowas hätte doch kommuniziert werden müssen, oder ist das mittlerweile üblich. Leider konnte ich gestern niemanden mehr erreichen und muss nun bin Montag warten aber ich gehe mal nicht davon aus, das es sich um ein Versehen handelt.

Nun frage ich mich ernsthaft, ob ich eine unbefristete, sichere und ja auch ganz schöne Stelle ausgeben soll für eine befristete Stelle mit deutlich weniger Verdienst.
Sitze dann in einem deutlich schöneren und schickeren Büro mit Aufstiegschancen aber das Ganze kann sich ja auch als Windei entpuppen.

Die wollen Anfang nächster Woche eine Antwort. Der Chef meinte, das der Vertrag nicht verhandelbar wäre aber so einfach möchte ich mich nicht unter Wert verkaufen. Zumal meine Fähigkeiten und Kenntnisse genau das sind, was sie brauchen und suchen. Für sie also auch ein guter Griff, wenn sie mich nehmen. Sonst würden sie ja auch nicht so schnell Nägeln mit Köpfen machen.
Momentan fühle ich mich so, als ob ich mich hier unter Wert verkaufen würde und das gibt mir ein sehr schlechtes Gefühl.
Wäre ich Mitte 20 oder Anfang 30 würde ich diese Chance wohl eher nochmal beim Schopfe packen aber jetzt bin ich 36 und sehe die Sache differenzierter. Bei uns steht auch durchaus noch die Kinderfrage im Raum. Keine konkreten Pläne aber es könnte durchaus nächstes Jahr näher angegangen werden. Meine jetzige Stelle wäre ideal um Kind und Beruf miteinander zu vereinbaren, da auch Teilzeit und Homeoffice dort sehr gefördert und gern gesehen wird. Ob das bei dem neuen Job ählich wäre, kann ich nicht beurteilen. Vorteil wäre natürlich die Nähe zu unsrem Haus.

Ich weiss, die Entscheidung kann mir niemand abnehmen aber vielleicht habt Ihr als absolut Aussenstehende ein Meinung dazu oder ein wenig Input für meine Gedanken, die grad Achterbahn fahren