Es ist ein Tag vor Heiligabend - und viele Menschen haben heute noch viel zu erledigen - so auch auf dem Postamt, das brechend voll ist - die Menschen stehen schon in einer langen Schlange an...

Und da kommt eine ältere Frau herein - gekrümmt laufend, jeder Schritt humpelnd und schleppend, sich auf einen Stock stützend - jede ihrer Bewegungen scheint ihr eine Qual zu sein...

Sie geht zu der Frau, die sich gerade als letzte in die Warteschlange eingereiht hat und sagt zu ihr "Ich kann nicht so lange stehen, könnten Sie mir den Platz hinter sich bitte freihalten?" Die Frau sagt zu ihr "Aber na klar, mach ich gerne!" Und die ältere Dame läuft schweren Schrittes zu einem Tisch hin, stellt dort ihren Stock und ihre Sachen ab.

Nach einer Weile lässt die Frau in der Schlange ihren Blick schweifen, um der älteren Dame zu signalisieren, dass "wir" gleich dran sind - aber die ältere Dame ist irgendwie nicht zu sehen. Just in dem Moment sagt der nobel gekleidete Herr mittleren Alters vor ihr spöttelnd zu der Frau "Von wegen SIE kann nicht stehen - sieht aber gar nicht so aus!" - zeigt in Richtung eines Postschalters, wo Oma steht und mit der Schalterangestellten diskutiert - und grinst der Frau dabei zu... Die Frau ignoriert seinen ironischen Ton und sagt "Ach, da ist ja meine Oma - ich hab sie schon gesucht..." und sieht, wie die ältere Dame zum Tisch zurückgeht, sich hinsetzt, zwei Kalender vor sich auf dem Tisch liegen hat und ganz traurig und resigniert in die Runde schaut...

Die Warteschlange hat sich vorwärts bewegt, die Frau wäre jetzt gleich an der Reihe - doch sie blickt immer wieder zu "ihrer" Oma rüber, weil es ihr keine Ruhe lässt und geht schließlich zu ihr hin - und fragt, ob sie ihr helfen könne - Oma sagt, dass sie zwei Kalender verschicken will, die Schalterangestellte ihr aber gesagt hat, dass es dafür keinen passenden Karton geben würde. Sie schaut die Frau hilfesuchend an und sagt "Die Kalender sind doch so schön und sie sind heute erst gekommen - ich würde sie doch so gern meinen Kindern schicken wollen" - ihr Blick und ihre Stimme sind so traurig, dass es der Frau im Herzen weh tut... Die Frau schlägt der Oma vor, dass es doch solche Rollen aus Hartkarton gibt und holt ihr zwei davon - doch sie sieht nebenbei auch, dass sie jetzt am Schalter an der Reihe ist - Oma bedankt sich und Frau geht an den Schalter und erledigt ihre Postgeschäfte.

Doch sie geht danach nicht raus - sondern natürlich wieder zu Oma hin - die sich, wie die Frau zwischendurch beobachtet hat, sichtlich abmühte, die Kalender in die Rollen zu bekommen - irgendwann aufgibt und die Rollen humpelnd wieder ins Regal zurückgebracht hat... Sie sitzt nun sichtlich kaputt von den für sie schweren Anstrengungen, nach Luft schnappend auf dem Stuhl und schaut hilfesuchend und erschöpft in die Runde - doch keiner scheint die Oma wahrzunehmen, keiner hört ihre lautlosen Rufe nach Hilfe...

Als die Frau die Oma anspricht, sieht diese die Frau mit einem traurigen und zugleich dankbarem Lächeln an und sagt, dass die Kalender da nicht rein passen. Die Frau sagt "ach, das schaffen wir schon - ich helfe Ihnen - und dann klappt das schon" - geht zum Regal, holt die Rollen zurück und packt Oma den ersten Kalender in die Rolle ein.

An dem zweiten Kalender hängt ein kleiner Weihnachtsanhänger - Frau fragt Oma, ob sie da noch was rein schreiben möchte - und Oma erschrickt, erinnert sich und sagt "ach ja - ich hab ja schon was geschrieben - könnten Sie das bitte auch mit rein machen?" und zieht zwei zerknitterte Weihnachtskarten aus ihrer Manteltasche. "Die Kinder müssen doch wissen, dass die Kalender von ihrer Oma sind!" - "Aber klaro - das kriegen wir schon irgendwie mit rein!" - nimmt die zwei Weihnachtskarten von Oma - macht die erste Rolle nochmal auf, Karte rein und danach der zweite Kalender und mit Karte in Rolle.

Da ergreift Oma die Hand der Frau, drückt sie sanft und sagt "Herzlichen Dank - Sie sind heute mein Weihnachtsengel! Sie haben Weihnachten für mich gerettet!" Die Frau ist ergriffen, will sich das aber nicht anmerken lassen - gut, dass Oma gleich danach fragt "und wie beschrifte ich die Rollen jetzt" - Frau antwortet "auch das haben wir gleich" - geht an einen der Schalter, holt zwei Versand-Aufkleber für die Rollen, gibt sie Oma, reicht ihr noch den Stift zum Schreiben - fragt Oma, ob sie das jetzt alleine schafft oder ob sie noch Hilfe braucht - Oma sagt, dass sie jetzt alleine klar kommt und sagt zu der Frau "Gott segne Sie und Frohe Weihnachten!" Die Frau legt der Oma im Rausgehen ihre Hand auf die Schulter und antwortet "Frohe Weihnachten, meine Gute!"

Beide sehen sich noch einmal in die Augen - gütige Blicke auf beiden Seiten - und ein liebes Lächeln, das bis ins Herz geht.

Die Frau geht aus der Poststelle raus - im Herzen die Beruhigung, der älteren Dame geholfen zu haben. Das Lächeln der Oma nochmal vor Augen und der Gedanke, dass wir alle mal so alt, hilflos und gebrechlich werden können - und dann sicher froh sind, wenn einem jüngere Menschen helfen - treiben ihr die Tränen in die Augen und laufen ihr die Wangen runter...

LG von Andrea