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Thema: Wie fortschritlich ist Deutschland

  1. #1
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    Standard Wie fortschritlich ist Deutschland

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    ist mir gerade unter die Augen gekommen (zwar von 2009, aber doch sehr interessant als Diskussionsansatz


    Deutschland fehlt eine Fortschrittspartei
    von Michael Miersch


    Kein westliches Land ist so technikfeindlich und fortschrittspessimistisch wie Deutschland, konstatiert die amerikanische Newsweek. Nirgendwo sonst auf der Welt sind Atomkraft, Gentechnik und Stammzellenforschung so geächtet. Warum eigentlich?

    Am 25. August 1967 drückte Willy Brandt auf einen roten Knopf und das Fernsehen wurde farbig. Wer es sich leisten konnte, kaufte eines der begehrten Geräte, wer nicht, sparte noch ein bisschen. Es gab keine Bürgerinitiativen gegen die Einführung der neuen Technologie. Brandts Knopfdruck auf der Internationalen Funkausstellung war eine typische Geste für den optimistischen Geist jener Tage.
    Deutsche Technik wurde seit dem 19. Jahrhundert weltweit bewundert. Und die aufstrebende Arbeiterklasse war stolz darauf. Anders als in Frankreich und England spielten Maschinenstürmerei und romantischer Utopismus keine große Rolle in der deutschen Arbeiterbewegung. Sie wurde von Facharbeitern und Handwerkern wie August Bebel geführt, die einen gerechten Anteil der Proletarier am wachsenden Wohlstand erkämpfen wollten und den technischen Fortschritt freudig umarmten.

    Das liberale Bürgertum sammelte sich in der Fortschrittspartei des Eugen Richter, zu der auch Männer wie Rudolf Virchow zählten, der die Menschen der Gründerjahre für Wissenschaft begeisterte, sich für Hygiene und gesunde Lebensverhältnisse einsetzte. Sozialdemokraten und Liberale kämpften für sozialen und technischen Fortschritt und schufen damit die Voraussetzungen für den Aufstieg der jungen Nation, oftmals gegen Bismarck, der der feudalen Welt preußischer Gutsbesitzer nachtrauerte.
    Obwohl so viele jüdische Wissenschaftler ins Exil getrieben oder ermordet worden waren, konnte Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit amerikanischer Hilfe schon bald wieder an das internationale Niveau von Forschung und Technik anschließen. Die fünfziger Jahre entwickelten sich zu einer Epoche des naiven Technikutopismus. Jugendbücher und bunte Illustrierte kündeten von der Eroberung des Weltalls, Städten unter dem Meer, fliegenden Autos und Robotern, die den Haushalt erledigen.
    Schon bald sollten Atomkraftwerke Energie im Überfluss liefern.

    Besonders die SPD war euphorisch und stellte auf ihrem Parteitag 1956 einen Atomplan vor. Die friedliche Nutzung der Atomenergie bringe den Wohlstand, hieß es darin. Das Atomzeitalter werde „das Zeitalter von Frieden und Freiheit für alle“. Auch Ludwig Erhard versprach „Wohlstand für alle“. Konservative Intellektuelle begruben Bismarcks Landjunker-Konservativismus und traten für einen „technokratischen Konservativismus“ ein, der den wissenschaftlichen Fortschritt begrüßen sollte. Es folgte eine beispiellose wirtschaftliche Blütezeit.

    Und heute? Heute tritt der bayerische CSU-Umweltminister Markus Söder gemeinsam mit den Gurus der Gentechnikgegner auf. Die SPD stellt einen Deutschlandplan vor, in dem von allen Zukunftstechnologien des 21. Jahrhunderts noch genau zwei zugelassen sind: Windräder und Solaranlagen. Die FDP ist aufgeschlossner, vermeidet es aber tunlichst, im Wahlkampf über technischen Fortschritt zu reden. Es könnte ja jemand Anstoß daran nehmen. Die Grünen lehnen ohnehin alles ab, was über den Anbau von Biokarotten hinausgeht. Und über allem thront Angela Merkel wie Buddha und hält sich bedeckt. Obwohl ihr als Physikerin klar ist, wie bedeutend wissenschaftliche Freiheit und technologische Innovation für die Zukunft eines Landes sind, verbrennt sie sich lieber nicht den Mund an diesen in Deutschland hochsensiblen Themen.

    Kein westliches Land ist so technikfeindlich und fortschrittspessimistisch wie Deutschland, konstatiert die amerikanische Newsweek. Nirgendwo sonst auf der Welt sind Atomkraft, Gentechnik und Stammzellenforschung so geächtet, Chemieangst und Mobilfunkfurcht so verbreitet. Trotz höchster Sicherheitsstandards ist der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossene Sache, während alle anderen deren Vorteile gerade wieder entdecken und nutzen. Eine CSU-Agrarministerin tut im Jahr 2009 alles, um die Pflanzengentechnik abzuwürgen.

    Vier Universitäten haben resigniert und die Forschung auf diesem Gebiet aufgegeben. 80 Prozent der Gentechnikforscher, heißt es beim Max-Planck-Institut in Potsdam, sind bereits ausgewandert oder wollen es tun. Wichtige Grundlagen der Pflanzengentechnik wurden einst in deutschen Labors entwickelt. Doch Fortschritt war gestern. Eine mächtige Koalition aus Öko-Aktivisten, Pfarrern, Politikern und Journalisten hat es geschafft, dass die Deutschen neue Technologien nicht mehr als Chance, sondern nur noch als Risiko betrachten.

    Diesen Geist, der mittlerweile alle Parteien beherrscht, beschreibt der holländische Historiker Wybren Verstegen als „grünes Denken“. Es ist gekennzeichnet durch niedrige Erwartungen, stetige Betonung der Grenzen, Verklärung der Vergangenheit, Idealisierung der Natur und ein abgrundtiefes Misstrauen gegen die Wirkungsweisen des Marktes. Neue Herausforderungen werden nicht gesucht, sondern tunlichst vermieden. Die Zukunft soll möglichst viel von der Gegenwart konservieren und gemütlich nach Omas Rezepten duften.
    Wie konnte es so weit kommen?

    weiterlesen und Quelle: hier:
    http://www.cicero.de/97.php?item=4100
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  2. #2
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    Na und? Muss man denn allem sch... den andere Länder oder grad die Amis machen hinterher hechten? Kann man als Land nicht sein eigenes Konzept haben und dem treu bleiben?
    Ich finde, dass Deutschland in manchen Punkten weit fortschrittlicher ist als andere Länder. Wenn es um Gentechnik geht z.B. ich möchte das nicht auf dem Teller haben. Der Mensch hat leider die Angewohnheit immer alles grösser, toller und unnatürlicher bzw. extremer unter menschlicher Kontrolle haben zu wollen und wenn man nicht mitmacht ist man ein Spielverderber. Als wenn das besser wäre...

  3. #3
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    Muss Fortschritt immer technisch sein? Darf er nicht auch ethischer Natur sein?

    Wer den technischen Fortschritt meint, meint in erster Linie ökonomisches Wachstum.

    Allerdings geraten wir immer mehr in eine Doppelmoral hinein. Vieles macht Deutschland nicht mehr selber, um eine weiße Weste zu behalten, aber wer Bedarf hat, kauft sich dennoch Dienstleistungen im Ausland ein, von assistierten Suizid bis zum Atomstrom.
    Mache mir Gedanken über Hautpflege und Make Up. Mein Handy behauptet hartnäckig "kein Gesicht erkannt".

  4. #4
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    Zitat Zitat von Thea Beitrag anzeigen
    Kein westliches Land ist so technikfeindlich und fortschrittspessimistisch wie Deutschland, konstatiert die amerikanische Newsweek. Nirgendwo sonst auf der Welt sind Atomkraft, Gentechnik und Stammzellenforschung so geächtet, Chemieangst und Mobilfunkfurcht so verbreitet.
    Ich empfinde kritisches Hinterfragen durchaus als Fortschritt.
    Weisheit ist, den anderen ihr Anderssein zu verzeihen.

  5. #5
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    Zitat Zitat von Mäusken Beitrag anzeigen
    Muss Fortschritt immer technisch sein? Darf er nicht auch ethischer Natur sein?

    Wer den technischen Fortschritt meint, meint in erster Linie ökonomisches Wachstum.
    Ja, da gebe ich dir Recht. Interessanter Ansatz. Man kann das durchaus als Vorreiterstellung sehen (auch zum Wohle aller).

    Ich sehe/lese in letzter Zeit eher Ängste vor Veränderungen. Letztendlich hat man immer Angst vor Veränderungen. Vor 100 Jahren hatten die Leute Angst vor Lokomotiven (das sei lebensgefährlich für den Körper) - heute haben die Leute Angst vor dem "Natürlichen" und sehen es als Rückschritt.
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  6. #6
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    Ich bin ganz froh, dass wir ein bißchen langsamer sind...vor allem mit der Gentechnik.
    Denn wenn ich mir vorstelle..das irgendjemand dass für bestimmte Zwecke einsetzt...dann finde ich das nicht lustig.
    Vor allem wenn man erst mal damit anfängt...geht man bestimmt nicht mehr zurück sondern geht weitere Schritte..und wer weiß wo wir dann landen.

  7. #7
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    Zitat Zitat von Meeresbrise Beitrag anzeigen
    Ich empfinde kritisches Hinterfragen durchaus als Fortschritt.
    Zitat Zitat von Mäusken Beitrag anzeigen
    Muss Fortschritt immer technisch sein? Darf er nicht auch ethischer Natur sein?

    Genau. Ich finde es ausgesprochen gut, dass man bei den genannte Bereichen erst mal das Hirn einschaltet und nicht mit lautem Hurra losprescht, ohne sich über etwaige Folgen Gedanken zu machen.
    Geändert von Peppermintpatty (29.03.11 um 18:23:46 Uhr)
    Manche Menschen sind furchtbar einfach, andere sind einfach furchtbar

  8. #8
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    Bei uns in der Firma ist diese Frage absolut aktuell. Es geht nicht darum, dass das eine schlechter oder das andere besser ist. Wir diskutieren allgemein und wertfrei wie man sich als Unternehmen in Zukunft positionieren soll.

    Technologie im Rahmen von "Wellness, Rückzug ins Private, Selfness", d.h. unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten und Erkenntnisse die Forschung und Entwicklung aktuell bieten oder Rückzug auf "die gute alte Zeit".
    Die Entscheidung für das eine oder andere hat sehr wohl sehr große Auswirkungen, auch in Hinsicht auf Glaubwürdigkeit eines Unternehmens. Ich nehme mal hier als Beispiel Inhaltsstoffe und deren Prüfung, Hygiene (Herstellung), Unbedenklichkeitsprüfungen, Entsorgung etc...
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  9. #9
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    Hinterfragen ist wichtig und richtig. Allerdings ist Deutschland ein Land ohne Bodenschätze und unser wichtigstes Exportgut war und ist die Forschung. Nun hemmen wir alles, lassen sämtliche Ansätze über Kommissionen laufen und darüber vergeht die Zeit und dann sind die anderen Länder im Vormarsch.

    Wir bilden Forscher aus, bieten ihnen aber keinen Boden zum Forschen.

    Die Technik bietet keinen Rückschritt. Wir müssen voran, auch um mit anderen Ländern mitzuhalten. Wir müssen nicht Amerika hinterherhechten. Aber auch wir müssen leben. Müssen Arbeitsplätze erhalten.

    Die Angst vor Veränderungen ist enorm. Beispiel: Die meisten haben Angst vor Klonfleisch. Wenn man sie fragt, warum, wissen sie keine Antwort. Viele haben Angst vor genmanipuliertem Mais. Auf die Frage nach dem Warum kommt keine Antwort. Angst kann hemmen.
    Liebe Grüße

    Cara

    "Du bist gerade 82 geworden. Du bist immer noch schön und begehrenswert. Wir leben seit 58 Jahren zusammen und ich liebe Dich mehr als je zuvor. Erst kürzlich habe ich mich erneut in dich verliebt" (André Gorz, aus Brief an D)

  10. #10
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    Nirgendwo sonst auf der Welt sind Atomkraft, Gentechnik und Stammzellenforschung so geächtet. Warum eigentlich?
    Man merkt, daß der Artikel von 2009 ist.

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