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Thema: Eure Familie und der Krieg

  1. #11
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    Bei uns wurde nie viel gesprochen. Meine Großeltern haben den Krieg alle miterlebt, die Opas habe ich aber nie kennengelernt und die Omas haben sich in Schweigen gehüllt. Jetzt lebt niemand mehr von ihnen.


    Ich habe bei meiner Oma väterlicherseits ein paar wenige Bilder von Opa zu sehen bekommen. Er ist wohl geflogen, mehr weiß ich aber nicht. Es waren natürlich auch keine schönen Bilder.


    Vor wenigen Wochen hatte ich es mit meiner Mama darüber - der Krieg war auch in ihrer Familie schon immer ein Tabuthema und sie findet es sehr schade, dass Nachfragen von ihr und den Geschwistern stets abgeblockt wurden.


    Meine Familiengeschichte endet für mich somit in der Kindheit meiner Eltern.
    __________


  2. #12
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    Zitat Zitat von Cara Beitrag anzeigen
    Datura, wenn du das glaubst, dann ist es schade. Aber jeder rückt sich seine Wahrheit zurecht.

    Ich kenne eine Menge alter Menschen, die sagen, sie haben vom Holocaust nichts mitbekommen. Hitler sei ein netter Kerl gewesen, hat Autobahnen gebaut, und was mit den Juden passierte, wusste man auch nicht. Und als man es wusste, hat man sie versteckt. Ein ganzes Volk sozusagen hat nichts mitbekommen, hat Juden versteckt, den Aufstand geprobt.

    So war es aber nicht.

    Zu meiner Familie: Da wurde damit offen umgegangen. Und ich würde auch jedem empfehlen, da genau nachzufragen, was man dann dachte, warum was passierte. Sonst ist es zu einfach.
    Warst du dabei?

    Mein Vater war von der Schulbank weg zu den Waffen geeilt worden. Er war bis Herbst 1944 im Atlantik und im Mittelmeer unterwegs, mein Großvater zunächst in Frankreich, dann in Russland. Von meinem Opa weiß ich nichts, ich war erst zehn als er starb. Mein Vater erzählte mir, dass sie auf dem Wasser kaum etwas mitbekommen hatten, was nicht über die offiziellen Nachrichten lief. Mein Vater sagte, er habe erst beim Rückzug an der Ostfront von den KZs und dem Elend erfahren und er sagte wörtlich: "Hätten wir das früher gewusst, keiner hätte auch nur einen Finger gerührt für diesen Verbrecher. Aber da ging es dann schon um die Heimat."

    Meine Oma und meine Mutter, bei Kriegsende Teenager, lebten in einer winzigen Stadt. Meine Oma hatte sich um Geschäft und Landwirtschaft zu kümmern. Sie bekam Fremdarbeiter zugeteilt und hat die auch anständig behandelt.

    Meine Mutter erzählte mir mal, man hätte gelegentlich von KZs gehört und auch, was dort geschah - doch niemand glaubte es, es war ja auch unglaublich.

    Ich habe keinen Anlass, meinen Eltern nicht zu glauben und ich finde es anmaßend, einer ganzen Generation Lügen zu unterstellen, zumal keiner von uns eine Vorstellung hat, welches Elend damals herrschte. Wir haben heute vom bequemen Sessel aus leicht reden.

  3. #13
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    Zitat Zitat von astama Beitrag anzeigen
    Ich habe dem Krieg zu "verdanken", daß ich meine Großväter nie kennenlernen durfte:
    Ja, geht mir genau so. Der eine ist im Krieg gefallen, der andere durch 5 Jahre Kriegsgefangenschaft körperlich so kaputt nach Hause gekommen, daß er nicht mehr lange gelebt hat.
    Ansonsten wurde da nicht viel drüber geredet. Höchstens mal über Rezepte, also wie man aus nichts was auf den Tisch bringt oder wie man es schafft, besonders nach dem Krieg nicht zu verhungern.
    Ansonsten hat meine Oma nur erzählt wie sie alle von ihrem Dorf aus gesehen haben wie der Himmel über Magdeburg
    rot glühte als die Stadt zerbobmt wurde (unser Dorf war ca. 30km entfernt).
    Auch von **************en durch russische Soldaten war mal die Rede. Oder von der Geburt meiner Mutter in der heimischen Küche ohne Hebamme geschweige denn einen Artz.
    Aber eigentlich mochte meine Oma nicht über die Kriegszeit sprechen.

  4. #14
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    Zitat Zitat von Löwin Beitrag anzeigen
    zumal keiner von uns eine Vorstellung hat, welches Elend damals herrschte. Wir haben heute vom bequemen Sessel aus leicht reden.
    Für mich gehören solche Aussagen dazu, wenn es um bereinigte Familiengeschichten geht.

    Es hat genug Menschen gegeben, geben müssen, die an vielem mitgewirkt haben. Sowas multipliziert sich dann auch nach außen - und trotzdem will niemand was gewusst haben. Was ich darüber denke, behalte ich lieber für mich. Verstehen werde ich auf nie, wie diese Seite unserer Geschichte versucht wird, zu bereinigen.
    Man darf Wahrheit nicht mit Mehrheit verwechseln. (J. Cocteau)

  5. #15
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    Zitat Zitat von Töpfchenhexe Beitrag anzeigen
    Meine Großeltern sind tot. Aber ich habe ihnen geglaubt.
    Ja, ich auch. Wieso hätte man an einer ihrer Aussagen zweifeln sollen?

  6. #16
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    Genau so sehe ich es auch, Gästin. Und genau darauf möchte ich auch hinaus.
    Liebe Grüße

    Cara

    "Du bist gerade 82 geworden. Du bist immer noch schön und begehrenswert. Wir leben seit 58 Jahren zusammen und ich liebe Dich mehr als je zuvor. Erst kürzlich habe ich mich erneut in dich verliebt" (André Gorz, aus Brief an D)

  7. #17
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    Zitat Zitat von Cara Beitrag anzeigen
    Genau so sehe ich es auch, Gästin. Und genau darauf möchte ich auch hinaus.
    Ja, das hatte ich auch so bei dir verstanden.
    Man darf Wahrheit nicht mit Mehrheit verwechseln. (J. Cocteau)

  8. #18
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    Zitat Zitat von vivian Beitrag anzeigen
    Ja, ich auch. Wieso hätte man an einer ihrer Aussagen zweifeln sollen?
    Eben. Dass ich von meinen eigenen Großeltern belogen wurde, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
    Die Heiterkeit, die von Innen kommende Heiterkeit. Die fröhliche Basis für das harmonische Miteinander.

  9. #19
    Avatar von Medha
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    Es spielt für mich aus heutiger Sicht weniger eine Rolle, was ein Mensch damals "mitbekommen" hat, denn das können wir überhaupt gar nicht mehr beurteilen. Ich kann auch kaum glauben, wie z.B. die Progromnächte "unbemerkt" bleiben konnten aber was soll ich sagen, ich war nicht dabei. Es lässt sich aber nicht leugnen, dass dieses Grauen passiert ist und ich kann nur immer wieder sagen, dass es schon eine Rolle spielt, wie wir heute alle zusammen damit umgehen.

    Meine Grossmutter väterlicherseits stammt aus Ostpreussen und ist mit Ihren Eltern und Geschwistern über das zugefrorene Haff geflüchtet. Ihr Bruder ist dabei im Eis eingebrochen und hat durch den Sauerstoffmangel eine geistige Behinderung davongetragen. All dieses Leid hat nur dazu geführt, dass meine Großmutter ein klares Feindbild behalten hat und bis zu Ihrem Ende eine überzeugte Nationalsozialistin war. Gesprochen wurde über die Kriegserlebnisse aber gar nicht. Mein Vater ist ein Rassist, bei dem ist auch nichts angekommen. Meine Großeltern mütterlicherseits sprachen nur darüber dass Hitler an allem Schuld war, der Rest wurde tabuisiert. Meine "Schwiegertante" erzählt heute sehr offen darüber, ich frage sie auch viel. Sie ist 1934 geboren und hat die Nazizeit als Kiind erlebt und erzählt auch, wie stolz sie war, als sie mit ihrer BDM Uniform in die Schule durfte. Sie ist ein herzlicher Mensch und sagt auch, dass sie das heute natürlich anders sehen würde. Meine Urgrossmutter hat einen Jungen im Krieg verloren aber das war für mich als Kind sehr abstrakt, dieser Begriff "im Krieg gefallen".

    Meine Familie ist insgesamt sehr schwierig, der Krieg und die Armut haben grosse psychische Verwundungen geschlagen, deren Resultat Gewalt und emotionale Kälte, psychische Erkrankungen und Kriminalität sind. Vielleicht wäre einiges davon auch in Friedenszeiten geschehen aber wenn ich mir die Personen und ihre Biografie so ansehe, dann glaube ich, dass ohne diese unfassbaren Brutalitäten und ohne diesen autoritären Geist dieses Grauen sich nicht hätte ausprägen können.
    “There are many ways you can establish your own path,” he said, sounding very much like the teacher he is. “The reason I love my catch phrase, ‘Make it work,’ is because it is not just about what is happening in the workroom, it is about life. Taking the existing conditions, the things we have available to us, and rallying them to ascend to a place of success.” (Tim Gunn)

  10. #20
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    Zitat Zitat von Töpfchenhexe Beitrag anzeigen
    Eben. Dass ich von meinen eigenen Großeltern belogen wurde, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
    Vorstellen kann man sich das vielleicht nicht. Aber man hätte deren Aussagen in einen historischen Zusammenhang bringen können und hätte dann durchaus bemerkt, dass einige Geschichten einfach nicht stimmen können. Ich will bei der Großeltern-Generation, bei einigen werden es die Eltern sein, gar keine wirklich böse Absicht unterstellen, aber auch die mussten ihre Geschichte schon milder machen, damit sie damit leben konnten. Viele werden auch einfach froh gewesen sein, dass sie nicht zur Rechtschaffenschaft gezogen wurden.
    Man darf Wahrheit nicht mit Mehrheit verwechseln. (J. Cocteau)

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