Was Selene schreibt finde ich durchaus nachvollziehbar und ziemlich erschreckend.
Dabei ist das so blöd. Ich bin bei dem Thema gerade ein bißchen emotional, weil eine liebe Kollegin gerade in so einem Dilemma steckt und nichts unternimmt. Sie kauft sich Camouflage, schafft es aber nicht, nach den Attacken den Notarzt oder die Polizei zu rufen. Dabei weiß es doch eh jeder. Auch wenn dieser Typ sehr perfide meist Körperstellen nimmt, die man normalerweise nicht sieht, ab und an ist auch mal ein Bluterguss an sichtbaren Bereichen dabei. Und die Frauen denken, sie könnten das kaschieren und verheimlichen. Klappt nicht. Einsicht ist trotzdem nicht da.
Was Selene schreibt finde ich durchaus nachvollziehbar und ziemlich erschreckend.
Man darf Wahrheit nicht mit Mehrheit verwechseln. (J. Cocteau)
Und vielleicht auch, dass man nicht weiß, wo man sich Hilfe suchen soll. Viele haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird. Solche Männer sind oft sehr geschickt in ihrer Selbstdarstellung. Ich hatte mal ein solches Erlebnis mit einem Mann und wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte.
Das Thema ist zu komplex für eine Antwort, wahrscheinlich ist die Ursache auch im Einzelfall multifaktoriell - individuell-psychologische Abhängigkeiten und Verstrickungsmuster, aber auch massiv soziale Gründe wie Abstiegsängste, das Bewahren der heilen Familie für die Kinder, aber auch kulturelle.
Eine linke (!) Berliner Anwältin hat mir mal erzählt, dass die Frauenhäuser voll sind mit Migrantenfrauen, die wie zur Kur mit ihren Kindern regelmäßig dort hinflüchten, in dem vollen Bewusstsein, wieder nach Hause zurückzukehren. Ein Raus aus der Ehe oder dem Familienverband ist für sie gar nicht vorstellbar, teilweise hängen auch Aufenthaltsgenehmigungen dran.
Es gibt ein Muster: Viele geschlagene Frauen sind überzeugt, ihre Partner könnten ohne sie nicht leben und fühlen sich ihnen verpflichtet, weil sie trotz der Schläge meist die einzigen Vertrauensperson ihrer Männer sind. In der Regel bereue die Männer ja nach einer solchen Episode, heulen herum, flehen, betteln und leisten Schwüre.
Damit ändern sich für eine gewisse Zeit die Machtverhältnisse - du schlägst mich, aber bist doch auf mich angewiesen, ohne mich (und die Kinder) bist du eine einsame Wurst -, was der gedemütigten Frau vorübergehend ein Überlegenheitsgefühl und die Motivation zu einem vermeintlichen Neuanfang gibt.
Choose your battles wisely
Das ist verständlich. Leider ist diese Angst ja nicht unbegründet.
Findet ihr das echt schlimmer von Hartz4 zu leben als geschlagen zu werden?
“There are many ways you can establish your own path,” he said, sounding very much like the teacher he is. “The reason I love my catch phrase, ‘Make it work,’ is because it is not just about what is happening in the workroom, it is about life. Taking the existing conditions, the things we have available to us, and rallying them to ascend to a place of success.” (Tim Gunn)
Mein Ex war genau so ein Fall. Der war der ultimative Schwiegersohn, mir haben teilweise meine eigenen Freundinnen nicht geglaubt, dass er mir ins Gesicht geschlagen hat. Irgendwas reizendes haben diese Kerle ja auch an sich, dass die Frau bleibt... Ich war damals total schockiert und hab ihn sofort verlassen. Er hat 1000 Schwüre geleistet aber für mich wars in diesem Moment vorbei.
Und diese unbewussten Prozesse sind fies. Man hat ja nicht den Gedanken "Hey, wenn der aufhört mich zu schlagen dann hört mein inneres Leiden auf" sondern das läuft unbewusst ab. Irgendetwas in der Frau hofft darauf, dass diesmal nun endlich alles gut wird und dass er sich ändern wird. Weil das Kind in einem immer gehofft hat, es würde sich schon etwas ändern - wird es aber nie....