Allegra hat nun gesagt, dass ihre Mutter akute Leukämie hatte.

Ich glaub nicht mehr, dass sie das jahrelang hatte. Sie wollte wohl vor allem keine Chemotherapie. Es klang jetzt auch nicht mehr so, als hätte sie es Allegra nicht gesagt, dass sie Leukämie hatte. Ich hatte den Eindruck, vor allem Allegra konnte damit nicht umgehen ("das L-Wort") und deswegen hat Christine vermutlich nicht davon gesprochen.

Jetzt kommt wohl auch zusammen der Schock über den unerwartet schnellen Verlust, der bei diesem Krankheitsbild aber erwartbar war. Aber ist man je bereit für den Tod eines lieben Elternteils?

Mein Vater ist ja auch an Leukämie gestorben, ich bin sehr froh, dass er mit mir darüber reden konnte, diese Zeit zählt zu den tiefsten und ehrlichsten Erfahrungen meines Lebens, die uns beide noch einmal sehr zusammen gebracht hat. Ich verstehe Menschen gut, die in Hospitzen arbeiten. Es ist nicht nur Hilfe und wenn ja, völlig unklar, wer eigentlich wem hilft.

Mir gefällt, dass Christine am Ende das Bedürfnis hatte "zu verlöschen", das klingt sehr im Reinen mit sich, nach Loslassen von Ego und Wirkung. Ihre Worte, dass sie gern noch mit roten Lippen aufgebahrt liegen möchte, fand ich eher als Geste, anderen etwas zum gemeinsamen Lächeln zu geben. Christine wurde in meinen Augen wie viele ältere Frauen wieder richtig zauber- und mädchenhaft, trotz oder gerade unterstützt von ihrem unnachahmlichen Stil, den ich wirklich völlig unabhängig davon finde, ob sie nun Falten hatte oder nicht. Ich wüsste nicht, wann ich schon mal jemanden so begeistert beim alt werden zusah. So geht es also auch, was für eine Offenbarung und Glück, daran teilhaben zu dürfen und welches Bedauern, dass es nicht länger ging.