Wir alle kennen die Gemälde alter Meister mit nackten rundlichen Frauen, die vergleichsweise kleine Brüste haben.
Sicher das Schönheitsideal ändert sich im Laufe der Zeit. Doch wer beeinflusst das Schönheitsideal? Offensichtlich vor allem die, die daran verdienen. Frauen als Versuchskaninchen der Medizin.

Die Vergrösserung der kleinen Brust

Bis Mitte der dreissiger Jahre waren kleine Brüste kein Problem. Obwohl medizinische Fachzeitschriften über Brust-Atrophien oder -Prolapse - ein Erschlaffen der Brust - berichteten und zur Korrektur Methoden wie Injektion von Paraffin oder Einbau von Glaskugeln unter dem Brustgewebe vorschlugen oder auch eine Transplantation von Fettgewebe von anderen Teilen des Körpers - normalerweise vom Bauch oder vom Hintern -, waren Empfehlungen bei kleinen Brüsten selten.

Etwa 1935 jedoch brachten plastische Chirurgen die kleine Brust ins Gespräch. Die abnorm kleine Brust wurde sogar pathologisiert und mit dem «Fachausdruck» Hypomastie umschrieben. Sie kategorisierten die verschiedenen Typen von kleinen Brüsten und nannten eine Anzahl möglicher Ursachen, einschliesslich übertriebene Diät oder endokrine Störungen. Als chirurgische Behandlungsmöglichkeit schlugen sie die Transplantation von Fett vor. Dies wurde aber selten empfohlen, wegen der Tendenz, dass das implantierte Fett nach und nach vom Körper resorbiert wird. Dies konnte auch zu Infektionen und Verkalkungen führen.

Die Medikalisierung der kleinen Brust fand etwa zwischen den späten dreissiger und frühen fünfziger Jahren statt (unterbrochen während des 2. Weltkrieges). In den Vereinigten Staaten fiel sie mit der steigenden Anzahl von ausgebildeten plastischen Chirurgen zusammen und ihren Versuchen, die Schönheitschirurgie zu legitimieren und zu etablieren. Mit der Zunahme von plastischen Chirurgen wurde auch die Technologie verbessert. Ein wesentliches Argument für die Legitimität der Schönheitsoperationen war, dass es für eine Frau verheerend und psychologisch gesehen ein Schock sei, wenn ihr physisches Aussehen nicht perfekt sei oder Mängel aufwies. «Abnormale» Brüste wurden als solche Mängel bezeichnet. Hypomastie wurde zum Inbegriff für einen körperlich-psychologischen Komplex, der zu Gefühlen von Unzulänglichkeiten in der eigenen Weiblichkeit, Schüchternheit, gesellschaftlicher Ausgrenzung, Depression, und - manchmal - zu Suizidversuchen oder Psychosen führte.

Fortschritte während der Kriegszeit in der Herstellung und Synthese von plastischen und synthetischen Materialien und in der Entwicklung von komplizierten
schönheitschirurgischen Verfahren führte in den Jahren nach dem Krieg zu einem grossen Schritt nach vorne in der Technologie der Brustimplantate. In den fünfziger Jahren haben Chemie-Firmen dann eine Reihe von synthetischen Materialien eingeführt, u.a. Polyvinyl-Alkohol, Polyäthylene, Polyurethane und Teflon. Plastische Chirurgen experimentierten mit all diesen Materialien, um Brustprothesen herzustellen. Z.B. einer «idealen» Brust nachgeformte Schwämme, die mittels einer Operation zwischen Brustmuskeln und Brustgewebe eingesetzt wurden, um die Brust zu vergrössern. Solche Operationen fanden ungefähr in den später fünfziger oder frühen sechziger Jahren statt.

Die einfache Verwendungsmöglichkeit dieser Materialien und die - anfänglich - fast durchgehend guten Resultate führten dazu, dass immer mehr Chirurgen solche brustvergrössernden Operationen durchführten. Mit der wachsenden Zahl dieser Eingriffe zeigten sich aber auch sehr unterschiedliche Reaktionen des Körpers auf diese Implantate. Insbesondere die Tendenz, dass das fibröse Narbengewebe in den Schwamm einwuchs und das Implantat - und demzufolge auch die Brust - schrumpfte und hart wurde. Es traten also Probleme auf.

Die plastischen Chirurgen reagierten in vielfältiger Weise auf die offensichtlichen Probleme mit diesen Schwammimplantaten. Eine Reaktion darauf war zum Beispiel, dass man die psychologischen Symptome bei Frauen mit einer Hypomastie erneut hervorhob, indem man psychiatrische Studien durchführte mit Frauen, die den Wunsch hatten, ihre Brust zu vergrössern. Solche Untersuchungen berichteten dann, dass Frauen, die ein Brustimplantat wünschten, Anzeichen von Depression, Neurosen und Frigidität aufwiesen. Subjektive Berichte nach dem chirurgischen Eingriff schienen dies zu bestätigen, da sich der Zustand dieser Frauen offenbar verbessert habe. Des weiteren modifizierte man die bestehende Technologie und versuchte, das «ideale Implantat» nachzubilden: Das «ideale» Implantat würde nicht hart werden. Es würde chemisch und physikalisch gut akzeptiert werden, wäre nicht karzinogen und resistent gegen mechanischen Druck. Es wäre leicht sterilisierbar und gut formbar nach den spezifischen Wünschen des Chirurgen. 1963 dann glaubten die plastischen Chirurgen, dieses ideale Material gefunden zu haben. Es war das Silikon-Gel-Brustimplantat.

Entwickelt wurde es von zwei Chirurgen aus Houston in Texas, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern vom Dow Corning Center for Medical Research. Das erste Silikon-Gel-Brustimplantat bestand aus einem Silikon-Gummibeutel, der mit Silikon-Gel gefüllt war. Auf der einen Seite war das Implantat flach, auf der anderen Seite nach aussen gewölbt. Die flache Rückseite des Implantats war mit Dacron-Fasern abgedeckt, was die Fixierung des Implantats an der Brustwand erleichtern sollte. Angepriesen als «Brust-Prothese mit dem natürlichen Gefühl» versprach dieses Silikon-Gel-Implantat die Probleme der Schwammimplantate zu lösen, insbesondere die Tendenz der Schwämme, hart zu werden. Innerhalb von ein paar Jahren nach der Einführung wurde dieses Implantat sehr weitgehend für alle Arten von Brustvergrösserungen verwendet.

1970, etwa sieben Jahre nach der Einführung des Silikon-Gel-Brustimplantats, schätzte das Dow Corning Center den Verkauf von Implantaten auf etwa 50'000. Wie die anderen Technologien hat auch das Silikon-Gel-Implantat gewisse Verbesserungen in Bezug auf seine Anwendung erlebt: Grösse und Form der Implantate wurden modifiziert, und die Dacron-Schicht war verschwunden. Trotz früheren Versprechen brachten Silikon-Gel-Implantate aber eine gewisse Verhärtung der Brust mit sich, insbesondere eine Verhärtung des Bindegewebes, der Bindegewebskapsel und in der Folge eine Kontraktion der Fasern der Kapsel, ein Phänomen, das als «Kapselkontraktion» bekannt wurde. Einige Erfinder versuchten das Problem der Kapselkontraktion dadurch zu lösen, indem sie das Implantat mit Kochsalzlösung füllten; andere entwickelten ein Implantat, das mit Polyurethane-Schaum bedeckt war. Diese Modifikationen schienen zwar das Härten des Implantats zu reduzieren, haben aber neue Schwierigkeiten hervorgerufen.

Das Bedürfnis für Brustimplantate wurde auch als psychologischer und sozialer und auch individueller Wunsch ausgelegt, in einer Gesellschaft, die immer stärker busenbewusst wurde. Die Chirurgen betonten, dass sie gewissermassen nur auf ein öffentliches Bedürfnis, auf die «Nachfrage von Patientinnen» reagierten.

Zwischen 1970 und 1980, als sich die ***uellen Sitten zu ändern begannen und sich eine populäre Version der Selbstverwirklichungspsychologie verbreitete, revidierten die Schönheitschirurgen ihre Einschätzung über ihre Patientinnen: Frauen - so argumentierten sie -, die eine Vergrösserung der Brust wünschten, waren nicht psychopathologisch, sondern folgten ganz einfach einem natürlichen Verlangen und hielten es für ihr Recht, sich in ihrem Körper so gut wie möglich zu fühlen und dies durch gutes Aussehen auch zu zeigen. Was zu einer weiteren Zunahme der Patientinnen geführt hat.

In den achtziger Jahren, bis zu Beginn der Kontroverse um die Implantate, haben in den Vereinigten Staaten jährlich schätzungsweise etwa 100'000 Frauen eine Brustvergrösserung vornehmen lassen. Bemühungen, die Technologie zu verbessern und vor allem das Problem der Kapselkontraktion zu lösen, setzten sich aber fort.

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http://www.datadiwan.de/netzwerk/ind...s/sp_024d_.htm