Zitat Zitat von Rosi Beitrag anzeigen
Meiner Ansicht nach gibt es Graubereiche und viele Überschneidungen mit anderen psychischen Krankheiten. [...] Bei allem Verständnis für die Faszination, die von diesen Menschen ausgeht, und ohne irgend jemanden angreifen zu wollen, aber es ist sehr schwer in Beziehungen zu Borderlinern (wie auch immer die aussehen) Grenzen zu setzen und einzuhalten. Meiner Meinung nach besteht die große Gefahr, sehr verletzt zu werden [...].
Hallöchen!
Jeder, der auch nur ein wenig Ahnung von der Borderline-Persönlichkeitsstörung hat, weiß ganz klar, dass Beziehungen zwischen gesunden Menschen und Borderlinern extrem anstrengend für den gesunden sowie und von Auf und Abs geprägt sind. Borderliner haben die Eigenart, ihnen nahestehende Menschen mit viel Charme um den Finger zu wickeln und sie dann (und das ist der Persönlichkeitsstörung zuzuschreiben) zu verletzen und/oder wegzustoßen, um im nächsten Moment wieder total an ihnen zu klammern und auf keinen Fall die Beziehung aufgeben zu müssen. Das machen Borderliner aber nicht etwa in dem Bewusstsein, dass das, was sie da mit ihren Mitmenschen machen, nicht den Normen entspricht. Nein, sie können quasi nicht anders, als so, wie ich es beschrieben habe.

Aber gut... um es an dieser Stelle mal zu erwähnen: Bei mir wurde auch eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, als ich vor einer Weile mal stationär in der Psychiatrie war. Dort musste ich einen Persönlichkeitstest machen, indem ich einen Fragebogen mit ca. 300 Frage ausfüllte. Es kam alles mögliche vor... "Haben Sie sich schon einmal absichtlich selbst äußere Verletzungen zugefügt?" bis hin zu "Haben sie in ihrer Kindheit Gleichaltrige schikaniert, geärgert, gehänselt oder sind ihnen mit körperlicher Gewalt begegnet?"
Ihr könnt euch also vorstellen, dass man sich nicht wirklich wohl fühlt, wenn man so einen Test macht, denn man möchte zwar ehrlich antworten, aber irgendwie ist einem mulmig bei dem Gedanken, was wohl als Ergebnis daraus resultiert. Naja... ich habe - und das habe ich mir genau gemerkt - 11 von 15 Fragen, die auf die Diagnose Borderline-PS abzielen, mit "Ja" beantwortet und wurde, weil Borderline der einzig erhöhte Wert im Test war, zu diesen Fragen noch einmal genau befragt. Ich musste sagen, ob ich schonmal als Kind von zu Hause weggelaufen war oder ob ich einfach so die Beziehung zu meiner Mutter beenden könnte, wenn sie mir etwas Schreckliches antäte. Das Ergebnis war jedenfalls zum Schluss, dass 9 von 15 Werten in dem Test daraufhindeuteten, dass ich an dieser Persönlichkeitsstörung litt. Zwei Punkte konnten in dem Gespräch und durch die Fragen der Psychologin relativiert werden.
Ich verließ die Psychiatrie also unter anderem mit der Diagnose "Borderline-Persönlichkeitsstörung". Das hat mich schon irgendwie gewurmt, weil ich das wirklich nicht von mir gedacht hätte - erschien mir mein Leben, bis auf die schwere Depression und die beginnende Psychose, so normal...

Wenige Tage nach der Entlassung berichtete ich jedenfalls meiner Psychotherapeutin, bei der ich damals seit fast genau zwei Jahren in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie war, von dem Ergebnis des Persönlichkeitstests in der Klinik und von dem Gespräch mit der dortigen Psychologin. Meine Therapeutin sagte mir, dass die heutigen, standardisierten Persönlichkeitstests nicht besonders zuverlässig seien, was die Diagnose Borderline-PS anbelangt. Sie erklärte mir, dass Patienten mit einer nicht reaktiven, sprich endogenen (ich weiß, ist veraltet *trotzdem*) Depression und dem endogenen Prodromalstadium einer Psychose häufig Erhöhungen im Bereich der Borderline-Aspekte dieser Tests aufweisen. Sie sagte, dass einige Symptome der Psychose und einige der Depression vor allem zusammen den Borderline-Symptomen ähneln, wenn auch nicht genau gleich sind. So verhält es sich beispielsweise so, dass ein depressiver, psychotischer Patient (also jemand wie ich) in einem Streit mit dem Partner, in welchem der Partner ihn auffordert, seine Sachen zu packen und sofort zu gehen, dazu neigt, den Partner zu besänftigen und versucht, die Wogen zu glätten, damit er eben nicht wegzugehen braucht. Ein Borderliner hingegen würde in derselben Situation den Partner anflehen, daheim bleiben zu dürfen und darum betteln, nicht rausgeworfen zu werden.

Ihr seht also, dass die Symptome sich ähneln und dass es bei standardisierten Fragen relativ leicht ist, die Frage mit "Ja" zu beantworten, obwohl man eigentlich gar kein Borderliner ist, denn: die Frage ist nicht konkret genug gestellt (weil standardisiert) und zielt nicht exakt auf die Borderline-PS ab.

Schlussendlich hat mir meine Psychotherapeutin, der ich übrigens voll und ganz vertraue und die ich für eine hochintelligente Frau halte, bestätigt, dass ich nicht unter der Borderline-PS leide und mir keine Sorgen zu machen brauche. Sie fügte zum Ende hinzu, dass vor allem junge und unerfahrene Psychologen (so, wie die Psychologin in der Klinik - höchstens 25 Lenze alt) die Diagnose Borderline-PS stellen, obwohl sie in Wirklichkeit gar nicht vorliegt, was überwiegend daran liegt, dass sie in dem Test nachfolgenden Gespräch nicht erkennen, dass die depressiv-psychotische Symtomatik eigentlich für die Erhöhung der Borderline-Werte im Test verantwortlich ist.

Also, hoffe, ich konnte irgendwie helfen und ein bisschen Wissen hinzufügen!

LG
SL