Ich möchte diesen Thread eröffnen, nicht nur für mich selbst, sondern auch im Gedanken an meinen Vater und für all diejenigen hier aus dem Forum, die einen Elternteil verloren haben ....

Mein Vater wäre heute 63 geworden. Er ist vor 9 Jahren gestorben, 4 Tage vor seinem 53. Geburtstag. Er hat sich das Leben genommen.

Ich habe schwer an diesem Suizid getragen, jahrelang. Die Beziehung zu meinem Vater war sehr ambivalent, Zuckerbrot und Peitsche. Große Liebe zwischen Vater und Tochter, großes Drama, große Eifersucht seinerseits, 2 Jahre haben wir nicht zusammen gesprochen. Wenn aber eines zwischen uns war, dann Seelenverwandtschaft. Vielleicht habe ich mir gerade deshalb soviele Vorwürfe gemacht, als er sich umbrachte. Weil ich dachte, dass ICH es hätte merken müssen.

Mein Vater war ein schillernder Mensch, sehr facettenreich. Ein Achterbahnfahrer, ein begabter Musiker, ein Lyriker, ein Chaot, ein Charismat, ein Choleriker, eine Charmeoffensive. Vielleicht tue ich ihm unrecht, wenn ich schreibe: Dr. Jekyll und Mr. Hide ... aber ich habe es oft so empfunden.

Besonders schwer war es für mich, dass ich das, was in meiner Kindheit so passiert ist, mit ihm nicht mehr besprechen konnte. Ich konnte ihn nichts mehr fragen, ich hatte keinen Counterpart bei der Verarbeitung, selbst das Vergeben musste ich mit mir selbst ausmachen. Schade finde ich auch, dass er meine Entwicklung zur reifen Frau nicht mehr hat miterleben können. Ich war 32 als er starb und eigentlich im Kopf auch nicht wesentlich älter als 18 .... wirklich gereift bin ich erst nach seinem Tod.

So stand ich heute morgen am offenen Fenster, schaute über unsere Felder, rauchte mir eine Zigarette in memoriam an meinen Kette rauchenden Vater und es war mir fast, als wäre er bei mir. Als würde er mir körperlich nahe sein, mich umfassen, mich trösten.

Ich denke nicht mehr jeden Tag an ihn, so wie früher. Die Trauer verändert ihr Gesicht, das Leben ist oft so turbulent, der Arbeitsalltag, so dass nicht immer Zeit ist für die Gedanken an ihn. Und vielleicht ist das auch ganz gut so, denn es wäre nicht in seinem Sinn, immer nur in der Vergangenheit zu leben.

Manchmal, wenn ich in den Spiegel schaue, dann sehe ich die Augen meines Vaters. Der selbe Blick, das selbe Blau und genau wie er bekomme ich langsam Schlupflider Ich seh ihn oft in meinem Gesicht wieder, oder auch in Gesten oder Worten.

Und mir wird manchmal so schmerzlich bewusst, dass es niemals mehr in meinem Leben und auf der ganzen Welt einen Menschen geben wird, zu dem ich "Papa" sagen kann. Mit seinem Tod ist dieses Wort aus meinem Vokabular entfallen. Denn wenn ich von ihm spreche sage ich "mein VATER" .... das Wort PAPA existiert nicht mehr ... denn wen sollte ich jemals nochmal so nennen ?

Trotzdem, an dieser Stelle:

Happy Birthday, Papa

Choco