Nachher kommt auf 3sat die spannende und traurige doku über den 'traditonellen mord an mädchen'.


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Sag mir, wo die Mädchen sind
In Indien leben signifikant weniger Frauen als Männer. Aber das liegt nicht daran, dass weniger Mädchen als Buben geboren werden. Sondern es liegt daran, dass Mädchen als minderwertig, überflüssig und teuer gelten. Ist ein Baby weiblichen Geschlechts, lebt es in vielen - vor allem ländlichen - Gegenden in Gefahr, ermordet zu werden. Eine als "Totengöttin" auftretende Frau bringt sie um, indem sie ihnen Salz auf die Zunge streut. Erstmals beschäftigt sich nun ein Kinofilm mit diesem traurigen Thema.
In Indien fehlen Frauen und Mädchen. Und zwar nicht einige wenige, sondern - nach profunden Schätzungen - etwa 50 Millionen. Offizielle Zahlen der indischen Regierung weisen für 2011 ein statistisches Geschlechterverhältnis von 933 weiblichen pro 1.000 männlichen Personen aus. In den Städten ist das Verhältnis schlechter als auf dem Land: 900 Mädchen und Frauen kommen dort auf 1.000 Buben und Männer. Der Bundesstaat mit dem niedrigsten weiblichen Anteil ist Haryana mit 861 Frauen, der Distrikt Daman an der Westküste bildet mit sage und schreibe 591 Frauen auf 1.000 Männer das Schlusslicht der Tabelle.


Drei Generationen an Frauen in einer Familie - ein seltenes Bild Was sich in statistischen Zahlen nüchtern liest, hat in Wahrheit traurige Ursachen und dramatische Folgen. Es ist keine Laune der Natur, die in Indien - oder auch in China und anderen südostasiatischen Ländern - die Frauen dezimiert: Die Mädchen fehlen, weil man sie nicht leben lässt. Durch die Modernisierung ist der "Infantizid", die Tötung von Babys, hinter der neuen Möglichkeit der Abtreibung zurückgetreten. Abtreibungsgrund: das falsche Geschlecht.
Die Ultraschallmaschine macht es möglich. Laut indischem Gesetz ist es den Ärzten verboten, den Eltern mitzuteilen, ob sie ein Mädchen oder einen Buben bekommen werden. Aber, wie der Gynäkologe Puneet Bedi anmerkt: "Wie alles Illegale ist auch das zu bekommen - für einen Preis." Vor allem Mädchen, die Zweitgeborene wären, haben schlechte Chancen. Die Folgen sind fast täglich den Medien zu entnehmen. Nach übereinstimmender Aussage vieler Expertinnen und Experten bringt der Umstand, dass mittlerweile in vielen Gegenden ein eklatanter Männerüberschuss herrscht, keineswegs besondere Freundlichkeit gegenüber Frauen hervor. Im Gegenteil: Er nährt die Gewalt gegen Frauen in ihren vielen Erscheinungsweisen.


"Kajarya" vor einem Standbild der Göttin Kali (Filmszene) Ein ambitioniertes Filmprojekt der Bollywood-Regisseurin Madhureeta Anand bringt dieses Thema nun auf die Leinwand, Filmstart war 2013. Sie zeigt in einem Spielfilm die Geschichte einer Frau namens Kajarya, die als Witwe ihre Existenz sichern will, indem sie vorgibt, in besonderer Weise mit der Todesgöttin Kali in Verbindung zu stehen. Prompt wird sie dazu bestimmt, unerwünschte Mädchen zu töten. Meera, eine junge Journalistin aus Delhi, stößt auf diese Verbrechen und deckt den ungeheuren Druck einer Gesellschaft auf, die im Grunde keine Mädchen will.


Die Arbeitslast liegt oftmals auf den Schultern der Frauen Regisseur Christian Rathner war mit seinem Team bei Dreharbeiten dieses Spielfilms dabei, hat mit der Regisseurin, mit Mitwirkenden, mit Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern gesprochen und in Delhi nach Hintergründen der erschütternden Fakten gefragt. Dabei kommt auch Kali in den Blick, die Göttin des Todes und der Zerstörung - aber eben auch des Wandels und der Erneuerung. Kali-Kraft wird von den Hindus beschworen, wenn sich Dinge ändern müssen. Und das müssen sie. Dazu trägt bei, dass seit der erschütternden Gruppen************** im Dezember 2012, als in Delhi eine junge Frau in einem Autobus tödlich verletzt wurde, eine große Diskussion in Gang gekommen ist und die Gewalt gegen Frauen und Mädchen immer mehr als vordringliches Thema wahrgenommen wird. Aktivistinnen und Aktivisten setzen sich für Veränderungen ein, nennen die "**************s-Unkultur" beim Namen und verlangen adäquate Reaktionen von Politik und Justiz.

Großes Echo hat die Geschichte von Pooja Chopra ausgelöst. Sie ist Bollywood-Schauspielerin und wurde 2009 schlagartig bekannt, als sie zur Miss Indien gekürt wurde. Irgendwann erzählte ihre Mutter, Neera Chopra, einer Reporterin ihre Geschichte. Pooja hat eine ältere Schwester. Der Vater der beiden wollte keinesfalls zwei Töchter. Er verlangte, Pooja entweder in ein Waisenhaus zu geben oder sie zu töten. Neera nahm ihre beiden Töchter und verließ das Haus. "Meine Mutter", so Pooja Chopra im Interview, "hat mir das Leben nicht nur geschenkt, sondern auch gerettet."