Schon lange schleppe ich dieses Thema mit mir rum….

Letzten Samstag waren wir mit Freunden essen und ich erzählte, unter welchem Druck wir (4 Geschwister) stehen, weil unsere alte Mutter uns sehr beansprucht.
Vor einem Jahr ist mein Vater gestorben, Mama lebt immer noch in der 3-Zimmerwohnung, die nun leider, leider saniert wird.
Das ganze Haus wird saniert, Böden werden ersetzt, Küchen, Bäder, Leitungen, alles halt.

Theoretisch können die Bewohner wohnen bleiben, praktisch ist das kaum möglich, nur schon der Lärm und Dreck bringen einen ja an den Rand des Wahnsinns.
Erst recht eine 88-Jährige.
Mama hat sich dann entschlossen, von der 3-Zimmerwhg. in eine 1-Zimmerwhg. auf der gleichen Etage zu ziehen.
Und sie war fest entschlossen, während des Umbaus im Haus zu bleiben, hat sogar etwelchen Nachbarn angeboten, auf deren Pflanzen zu achten, den Briefkasten zu leeren usw.
Je mehr Infos ich erhielt, desto klarer war, dass das nicht gehen würde.
Nur schon all die Stolperfallen überall, dazu kommt, dass der Lift während mindestens 4 Wochen ausser Betrieb sein wird usw.
Meine jüngere Schwester war meiner Meinung, die beiden anderen Geschwister fanden, oh wenn sie bleiben will, soll sie doch.

Jedenfalls habe ich nach langem Suchen eine nagelneue, komplett eingerichtete, sehr zentral und schön gelegene 1-Zimmerwohnung gefunden, die man monateweise mieten kann.
Die ideale Lösung!
Mama war gar nicht begeistert, hat sie sich dann doch angesehen und sich bereit erklärt, während des 4 Monate (!) dauernden Umbaus dort einzuziehen.
Ich werde in dieser Zeit die Wäsche machen, mein Mann wird einkaufen und die Einkäufe zu ihr bringen, sie kann mindestens 2 bis 3 mal pro Woche bei mir essen, sie kann tage- oder wochenweise zu meinen anderen Geschwistern in Urlaub.
Sie wird also nicht allein gelassen.
Sie hat sich ursprünglich vorgestellt, dass sie im alten Haus bleibt und je nach Bedarf mal bei einem ihrer Kinder unterschlüpft, natürlich in der Erwartung, dass wir dann bei Fuss stehen und jederzeit verfügbar sind.
Auch für eventuelle Notfälle im Zusammenhang mit dem Umbau wären natürlich meine eine Schwester und ich, da wir beide in der Nähe sind, zuständig gewesen.
Ein Leben 4 Monate auf Abruf (also noch mehr als jetzt schon!) konnten und wollten wir uns aber nicht vorstellen, deshalb die Lösung mit der Ersatzwohnung.

Nun ja, Mama fand dann plötzlich, sie wolle jetzt doch nicht, wir wollten sie ja dort einfach ‘verlochen’, damit wir uns nicht kümmern müssten.
Das hat sie mir während eines Telefongesprächs gesagt (als alles schon fix abgemacht war, Kaution bezahlt usw.) und da hat es mich zum ersten Mal dermassen verjagt, ich habe meiner Mutter so richtig die Meinung gegeigt.
Nun, es hat gewirkt, sie hat sich besonnen und zieht nun nächste Woche in jene Wohnung.
Aber ich bin mit den Nerven am Ende.

Den ganzen letzten Freitag war ich mit meiner Schwester am Packen, Schachtel über Schachtel, Mama ist nicht imstande, selbst etwas auszusortieren, sie ist überfordert.
Was kein Wunder ist, sie ist 88 Jahre alt, das Problem ist, dass sie selbst es absolut nicht so sieht.
Sie denkt, sie habe alles im Griff, sie sieht absolut nicht, was ihr seit langem alles abgenommen wird.
Die ganzen Finanzen, jeder amtliche Brief überfordert sie und muss von uns bearbeitet werden.

Für Mama aber kommt betreutes Wohnen überhaupt nicht infrage.
Schon vor zig Jahren habe ich sie immer wieder darauf angesprochen, ob sie sich nicht auf die Warteliste setzen lassen wollen für eine Alterswohnung.
Gleich bei mir um die Ecke entstanden zwei neue Häuser mit wunderschönen, hellen, luftigen, geräumigen Alterswohnungen.
Angegliedert ist ein separates Alters- und Pflegeheim sowie eine Spitex (spitalexterne Pflege).
Nein, kam für Mama nicht infrage, sie sagte aber, sie sei bei zwei anderen Häusern auf der Warteliste.
War leider gelogen, wie sich vor eineinhalb Jahren herausstellte.

Nun meine eigentliche Frage an euch, liebe Beauties.
Unser Freund fand letzten Samstag, als Kinder dürfe man nicht erwarten, dass die Eltern so leben, wie es einem passen würde (was man ja, so aus dem Bauch heraus, durchaus bejahen würde!)
Weshalb sollten sie in eine Alterswohnung oder ein Heim gehen, wenn sie es nicht wollen?
Es sei doch ihr Leben, wir hätten nicht das Recht, diesbezüglich etwas von ihnen zu erwarten.
Und wenn sie dann Hilfe brauchen, dann sei es an uns, ihnen diese zu leisten oder halt welche zu organisieren.

Meine Freundin und ich fanden, dass wir, als Mütter, niemals unseren Kindern diese Belastung zumuten wollten.
Dass wir es als unsere Aufgabe ansehen, rechtzeitig Entlastung, Hilfe und Unterstützung zu organisieren (und zwar selbst!) statt zu erwarten, dass unsere Kinder je länger je mehr und grössere Aufgaben zu übernehmen hätten.
Und zwar mit der grössten Selbstverständlichkeit.
Nur damit wir selbst in der Illusion der Eigenständigkeit weiter so leben können wie gehabt.

Wie seht ihr das?
Bitte keine Sätze wie sei froh, dass du noch eine Mutter hast, ich BIN froh, dass ich noch eine Mutter habe

Aber ich bin 61 und meine Kräfte sind nicht unerschöpflich.
Ich bin am Rande meiner Belastbarkeit und meine Nerven spielen verrückt.
Ich drehe im Gedankenkarussell, fürchte mich vor der nächsten Zeit und habe Angst, in die totale Überforderung abzurutschen.
Mich interessieren eure Erfahrungen, Meinungen, Lösungsansätze....

(Da es keinen geschlossenen Bereich gibt, bitte ich, nicht zu zitieren, vielleicht lösche ich, entgegen meiner Art, manches wieder. Danke.)