Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung die Impfpflicht so pünktlich auf den Weg bringt, dass wir für den Herbst wenigstens die 90 Prozent erreichen.
Das sehe ich etwas anders:
Ein*e Ungeimpfte*r kann eher COVID bekommen als ein*e Geimpfte*r und somit vielleicht, aber auf alle Fälle dann überflüssigerweise, bei mir auf der Intensivstation landen und dann ein Bett wochenlang blockieren. Dafür müssen dann andere vielleicht zurückstecken oder verfrüht auf eine "normale" Station verlegt werden, Komplikation können dann vielleicht zu spät erkannt werden, da die Überwachung und die Manpower fehlt.
Man muss vielleicht deswegen Patienten in ein anderes Spital verlegen. Das geschieht nicht einfach so und es schreien nicht alle: Hurra, wir haben Platz, wir nehmen den Patienten. Das braucht Zeit.
Das alles zieht einen riesigen Rattenschwanz hinterher, das kann man sich gar nicht vorstellen. Wir sagen schon immer sarkastisch, wir spielen Patienten-Tetris, da wir durch COVID-Neuzugänge oft die bei uns liegenden Patienten innerhalb der Station umschieben müssen, damit ein isolierter nicht mit einem nicht mehr isolierten Patienten zusammenliegt und die isolierten Zimmer hintereinander sind und nicht abwechselnd mit nicht isolierten Zimmern. 14 Tage ab positiver PCR sind die Patienten dann nicht mehr isoliert.
So einen Platz zu räumen, dauert sicher eine Stunde, denn putzen müssen wir auch noch. Wenn so was zu einem Zeitpunkt passiert, wenn wir keine Pflegeassistentinnen haben, dann müssen wir putzen. Um einen beatmeten und dialysierten Patienten zu verschieben, braucht es mindesten 3 Personen, dazu noch ein transportables Beatmungsgerät, das anschliessend wieder geputzt, mit neuen Schläuchen versorgt und abschliessend getestet werden muss.
In dieser Zeit haben wir nichts bei unseren zugeteilten Patienten gemacht.
Nicht zu vergessen die Situation in den Rehakliniken, da gibt es Wartelisten, denn auch dort sind diese Patienten überdurchschnittlich lange.
Also nein, die Risiken sind nicht nur auf Seite der Umgeimpften, sie werden ungefragt verteilt.
Es bleibt zu hoffen, dass die Regierung die Impfpflicht so pünktlich auf den Weg bringt, dass wir für den Herbst wenigstens die 90 Prozent erreichen.
Du hast vollkommen recht.
Deswegen plädiere ich dafür, dass wir schnell eine Impfpflicht bekommen. Nicht geimpfte sich an den Kosten der Behandlung beteiligen müssen. Und wenn es zum schlimmsten Falle kommt, eben doch mal drüber nach gedacht wird, wer sich bewusst für seine Situation entschieden hat und wer eben nicht.
Samoa, wenn du das so schreibst schwanke ich zwischen wütend, fassungslos und resigniert. Was euch da zugemutet wird.
Vor allem den jungen Mitarbeiter*innen, die kennen teilweise die Intensivstation fast nur unter Corona oder die, die gerade die Weiterbildung für die Intensivpflege machen, die kommen voll unter die Räder. Man hat zu wenig Zeit für sie, kann sie oft nicht so begleiten wie es erforderlich wäre. Sie trauen sich dann im Gegenzug nicht immer zu fragen, da sie wissen, dass auch wir kaum mit unser Arbeit hinterherkommen.
Aber im Grossen und Ganzen geht es uns noch gut, wir sind gut aufgestellt und die Stimmung ist trotz allem sehr gut und wir helfen einander wo es geht. Nicht zu vergessen, dass wir uns regelmässig austauschen, da sind auch leitende Personen des Spitals und aus dem Care-Team dabei.
Wir "Alten" kennen auch andere Zeiten und sehen das dann im Verhältnis und wir müssen keine 20-30 Jahre mehr in diesem Job arbeiten.
Aber es tragen alle ihr Päckchen mit sich rum. Diese Zeit verändert alle.
Könnt ihr euch noch an die Sprüche zu Beginn der Pandemie erinnern? Man soll das als Chance sehen und alles sich zum Guten wendet! Vielleicht war das damals wichtig, damit man sich nicht gleich die Kugel gibt, aber rückblickend kam unterm Strich nicht viel Gutes dabei heraus.
Fast im Gegenteil, Gräben tun sich auf und dass dieses Virus uns so langfristig in die Knie zwingt, hätte ich nicht gedacht. Auch hier ein riesiger Rattenschwanz, den man nicht zu Ende denken kann.
Ok, die Medizin hat wirklich Erstaunliches geleistet, aber ich vernute wir hinken halt trotzdem immer hinterher.
Die psychische Belastung darf man auch nicht unterschätzen, egal bei wem, das wird uns sicher auch noch einholen.
Geändert von Samoa (10.01.22 um 23:15:10 Uhr)
@Samoa:
@all: Leider ist ja noch gar nicht gesagt, dass die Impfpflicht überhaupt kommt. Dafür braucht es ja erst eine Mehrheit.
Und wenn, bin ich nicht ganz sicher, ob das dann der erhoffte Heilsbringer wird.
Vor allem halte ich das für juristisch gar nicht so einfach. Und dieses Mal sollte das Gesetz so solide angefasst sein, dass es auch hält, nicht wie bei vielen anderen Bestimmungen, die während Corona so rausgeschleudert wurden.